Pressearbeit


Tiersuchhilfe Westerwald rettet mit der Drohne Leben

Neuer Verein hat in diesem Frühjahr schon 20 Rehkitze vor dem Mähtod bewahrt - Einsätze meist im Morgengrauen vor der Arbeit

Von Camilla Härtewig


Westerwald. Ganz flach duckt sich das winzige Rehkitz auf den Boden. Im hohen Gras ist es kaum zu sehen. Es ist kalt, leichter Nebel steigt auf, und der Tau glitzert in der kaum aufgegangenen Morgensonne. Zwei Hände greifen das erstarrte Tier, legen es sanft in einen Karton und tragen es an den Wiesenrand. Dieses kleine Wesen wird heute nicht den Mähtod sterben.


20 Rehkitze hat der Mitte Mai neu gegründete Verein Tiersuchhilfe Westerwald in dieser Saison schon gerettet. Die sieben Mitglieder und 30 Helfer der Tiersuchhilfe waren 15-mal im Einsatz, um mit ihren Wärmebilddrohnen Rehkitze auf Feldern aufzuspüren. Was sie antreibt? "Ganz klar die Tierliebe", sagt der Vorsitzende Patrick Brockmann aus Höhn. Denn oft werden Rehkitze im Frühjahr bei Mäharbeiten verletzt oder getötet, da sie von den Ricken in Wiesen und Futteranbauflächen abgelegt werden und bei Gefahr durch das anrückende Mähwerk nicht flüchten.


Patrick Brockmanns Engagement fing vor drei Jahren an - durch Zufall. Der technikaffine Mann hatte sich eine Wärmebild-Drohne gekauft, wusste dann aber nicht recht, wie er diese sinnvoll nutzen kann. "Ich fragte beim Jagdverband an, ob sie Unterstützung brauchen könnten. Der stellte den Kontakt zu Bauern her. Und so fing meine One-Man-Show in der Rehkitzrettung an." Immer mehr Gleichgesinnte kamen hinzu. Schließlich war die Vereinsgründung der logische Schritt. Der offizielle Sitz ist in Bad Marienberg, doch das Einsatzgebiet erstreckt sich von Altenkirchen bis in den Raum Montabaur und nach Limburg.


Die Tiersuchhilfe arbeitet ehrenamtlich. Und die Einsätze geschehen zu nachtschlafener Zeit. Morgens um 3 oder 4 Uhr ziehen die Helfer los zu den Feldern, die abgesucht werden sollen, ehe der Landwirt mäht, um frisches Heu zu gewinnen. Dieser muss vorab via Googlemaps die genauen Koordinaten liefern. In ihrer Whatsapp-Gruppe verabreden Piloten und Helfer dann einen Termin. Um aktiv werden zu dürfen, muss die Tiersuchhilfe zunächst aber die Erlaubnis des jeweils zuständigen Jagdpächters einholen. "Sonst kann unser Wegtragen der Rehkitze als Wilderei angesehen werden." Ein Jäger oder der betroffene Landwirt müssen bei der Aktion vor Ort sein.


Dann steigt zunächst die Wärmebilddrohne auf. "Der Unterschied zwischen der Umgebungstemperatur und der Körpertemperatur des Kitzes sollte möglichst groß sein, damit man es als leuchtenden Punkt erkennen kann. Es braucht ein geschultes Auge", erklärt Stefani Bührle. Die Lebensgefährtin von Patrick Brockmann engagiert sich ebenfalls im Verein und ist eine von sechs Piloten. "Tagsüber bei starkem Sonnenschein sieht man oft keinen Unterschied zwischen warmen Steinen und Holz und einem Lebewesen. Früh morgens aber ist die Trefferquote sehr hoch."


Die Helfer werden dann zur Fundstelle gelotst. Das Rehkitz wird nur mit Einmalhandschuhen und Grasbüscheln angefasst, damit sich kein Geruch überträgt. "Wir verzichten bei solchen Einsätzen zur Sicheheit auf Parfüm oder Rasierwasser", so Bührle. Für die Zeit der Mahd sitzt das Tier in einem Karton am Feldrand. Danach wird es wieder in die Freiheit entlassen. Brockmann erläutert: "Die Mutter findet es schon. Das Kitz ruft fiepsend nach ihr." In der Setzzeit zwischen Anfang Mai und Mitte Juni bedeutet das eine große Anstrengung für die Ehrenamtlichen. Denn natürlich müssen sie nach einer Rettungsaktion alle noch auf ihre jeweiligen Arbeitsstellen fahren. "Im Frühjahr fehlt einem schon manchmal der Schlaf", geben Brockmann und Bührle lachend zu. Doch wenn sie wieder ein kleines Rehkitz gerettet haben, war das für sie alle Mühen wert. "Da geht einem das Herz auf."


Und so sieht die Rechtslage aus: Gemäß Artikel 20a des Grundgesetzes und §1 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, Tieren ohne vernünftigen Grund Leiden zuzufügen. Nach dem Bundesjagdgesetz (§3 BJagdG) obliegt die Hegepflicht dem Eigentümer, in der Regel dem Landwirt. Die Mahd ohne Schutzmaßnahmen stellt keinen vernünftigen Grund dar, Tiere zu verletzen oder zu töten. Landwirte und Maschinenführer sind daher primär verantwortlich für das Absuchen der Flächen. Der Landwirt hat eine Hegeverpflichtung und muss zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, um den Schreddertod von Kitzen zu verhindern. Und dieser Verpflichtung kommen die Bauern auch meist nach, ist die Erfahrung der Tiersuchhilfe. Sie kann gar nicht allen Anfragen nachkommen. "Die Zusammenarbeit zwischen Jägern, Landwirten und uns wird immer besser", freut sich Stefani Bührle.


Der Verein ist aber nicht nur in der Rehkitzrettung aktiv. Auch bei vermissten Haustieren kann er angefordert werden. Patrick Brockmann erläutert: "Unsere Drohnen können dabei helfen, Gebiete schnell und effizient zu durchsuchen, die für Menschen schwer zugänglich oder zu weitläufig sind. Mit der Kamera können wir das Tier aus der Luft beobachten und mögliche Wege identifizieren, um es sicher einzufangen. Allerdings müssen wir darauf hinweisen, dass wir als Tiersuchhilfe leider nicht in der Lage sind, entlaufene Tiere direkt selbst zu sichern. Wir haben
nicht die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten, um ein verängstigtes oder verletztes Tier sicher und effektiv zu fangen. Wir arbeiten jedoch mit verschiedenen Tiersicherungen eng zusammen, welche auf die professionelle Sicherung spezialisiert sind."



Die Mitglieder finanzieren ihre Ausstattung aus eigener Tasche, seien es Versicherungen, Ersatzteile oder Akkus. Und so eine Drohne kann bis zu 8000 Euro kosten. Spender und Sponsoren werden dringend gesucht. Denn die Einsätze sind grundsätzlich kostenfrei. "Wenn uns ein Bauer dafür einen Betrag als Dankeschön gibt, ist das schön. Er muss es aber nicht", stellt Stefani Bührle klar. Ihr Traum wäre, eine dritte Wärmebild-Drohne anschaffen zu können. "Dann könnten wir noch mehr Kitze retten."




Wildtierkinder nicht anfassen


Die Natur gleicht derzeit einer großen Kinderstube. Viele Wildtiere bringen jetzt, in der sogenannten Brut- und Setzzeit, ihren Nachwuchs zur Welt. Der Deutsche Jagdverband (DJV)
bittet daher alle Naturnutzer und Hundehalter um erhöhte Rücksichtnahme. „Leider kommt es immer öfter vor, dass Wildtierkinder berührt oder gar aus Mitleid mitgenommen werden”, sagt
Torsten Reinwald, Pressesprecher des DJV. Diese falsch verstandene Tierliebe macht Wildtiere dann tatsächlich zu Waisen und führt schlimmstenfalls sogar zum Tod. „Haftet menschlicher
Geruch am Nachwuchs, verstoßen Ricke oder Häsin ihr Junges – und es muss verhungern”, so Reinwald. Zum Schutz vor natürlichen Fressfeinden werden Rehkitz, Junghase und Co. in den
ersten Lebenswochen von ihren Müttern im hohen Gras oder am Waldrand abgelegt und nur zum Säugen aufgesucht. Die Jungen haben noch keinen Eigengeruch und sind dank ihrer
Färbung gut getarnt. Droht Gefahr, flüchten sie nicht, sondern ducken sich instinktiv. Ein angeborener Schutzreflex vor Fressfeinden, der Rehkitz oder Junghase dann zum Verhängnis
wird, wenn Menschen sie mit bloßen Händen anfassen. Nur ein verletztes oder nachweislich verwaistes Tier ist hilfebedürftig. Im Zweifelsfall sollten Tierfreunde einen ortsansässigen Jäger
kontaktieren, der den Zustand des Jungtieres genau einschätzen kann. (Quelle: Deutscher Jagdverband) red



RPR1 Interview: 







Bericht aus der Westerwälder Zeitung zur Übergabe der neuen Drohne